Nickelswarft


Die ländliche Siedlung Nickelswarft liegt 2,5 km nordwestlich der dörflichen Gemeinde DE-25836 Poppenbüll im Amt Eiderstedt, Kreis Nordfriesland.

 

Lage: 54°22'21.00"N, 8°43'48.00"E (vermutete Lage), Karte:

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Familienforschung

Kirchenbücher (i.d.R. nur vor 1876): Poppenbüll-Nickelswarft ist ein Teil der eigenständigen Kirchengemeinde Poppenbüll und gehört innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zum Kirchenkreis Nordfriesland (vor der Kirchenkreisfusion Kirchenkreis Eiderstedt). Das zuständige Kirchenbuchamt ist das Bereichsarchiv Eiderstedt - Kirchenbuchamt - in Garding.
Näheres hierzu und zu standesamtlichen Urkunden (ab 01.01.1876) siehe Erläuterungen, Quellen, Verweise.

Ortschronik: Es soll eine Ortschronik geben (Quelle: extern> Deutsche Genealogie: Schleswig-Holstein, Stand 1992).

 

Aus der Ortsgeschichte

Nennungen: Laur 1) führt den Ort nicht auf; Jensen 2): Nickelswerfte; Lesser 3): Nickelswarf und Nickelswerf.

 

Der Ortsname wird aus dem Personennamen Nickel, niederdeutsch für Nikolaus, und → Warft gebildet.

 

Die örtlichen Gegebenheiten der mittelalterlichen Nickelswarft im historischen Kontext zu beschreiben, ist nicht ganz einfach, zumal sich die Forschung in mehreren Punkten, die die geografische Entwicklung der Küste betreffen, nicht ganz einig ist. Neuere Untersuchungen 4) 5) widersprechen älteren Geschichtsbüchern zum Teil erheblich, etwa hinsichtlich der Eindeichungsdaten, und stellen insbesondere die eigentlich faszinierende These von einem alten Süßwasserfluss in Frage, der aus dem Bereich der untergegangenen Insel Strand bis zur Südküste Eiderstedts geflossen sein soll 6).

Es wird vielmehr Folgendes angenommen: Am Ende des ersten Jahrtausends bestanden die friesischen Uthlande, dieser Begriff wird 1261 erstmals urkundlich erwähnt und bedeutet die außen, 'ut', liegenden Lande, aus drei annähernd gleich großen, durch Wattströme getrennte Inseln oder Inselkomplexen im Gebiet westlich des Geestrandes zwischen der Nordspitze Sylts und der Südküste Eiderstedts. Diese Inseln bzw. nur durch kleinere Prile getrennten Inselkomplexe entsprachen den Propsteien, die König Waldemar II. von Dänemark 1231 in seinem Erdbuch (Steuereinnahmenbuch) aufführte: Withaa im Norden (heute Sylt), Strand in der Mitte (heute Pellworm und Nordstrand) und Eiderstedt im Süden. Der Grund dafür, dass es in den Uthlanden drei Propsteien gab, waren demnach die trennenden Wattströme. Zwischen Strand und Eiderstedt gab es danach also bereits um 900 den Hever genannten Wattstrom. Weitere Meeresarme waren wahrscheinlich ebenfalls um 900 ins Land gebrochen und hatten den westlichen Teil Eiderstedts zu zwei Inseln werden lassen: Die Süderhever, der vermeintliche Süßwasserfluss, schnitt zwischen der Südküste Eiderstedts und der heutigen Tümlauer Bucht die Marschinsel Utholm, die außen liegenden Insel (Holm = Insel), ab, und das Fallstief zwischen der Tümlauer Bucht und dem Heverstrom isolierte Westerhever.

Zu diesem Zeitpunkt war Utholm, wie überhaupt die ganze Südhälfte Eiderstedts, schon lange besiedelt. Bereits zur römischen Kaiserzeit waren Wohnplätze auf Nehrungen, Strand- und Uferwällen angelegt. Auf solchen liegen heute, von Westen nach Osten, Ording, St. Peter, Tating, Garding, Katharinenheerd und Witzwort. Noch im 8. und 9. Jahrhundert, als die aus den Niederlanden ausgewanderten Friesen die Uthlande in Besitz nahmen, gab es Flachsiedlungen, wie die frühmittelalterliche Siedlung 'Elisenhof' bei Tönning zeigt, die bis in das 11. Jahrhundert bewohnt wurde und dann wüst fiel. Etwa zu diesem Zeitpunkt begann, infolge des allmählichen Meeresspiegelanstiegs, der zufällig (?) mit dem mittelalterlichen Klimaoptimum (900 - 1200 n. Chr.) einherging, der Deichbau. Bereits im 12. Jahrhundert waren die großen Marschinseln, aus denen die heutige Halbinsel Eiderstedt im Kern besteht, von einem niedrigen, etwa eineinhalb Meter hohen Sommerdeich umgeben und die Siedlungen waren auf Warften umgezogen. In der Südhälfte waren das die Marschinseln Utholm und Eiderstedt. Der Name Eiderstedt wurde später, wohl weil sie die größte der Marschinseln war, auf die gesamte Halbinsel Eiderstedt übertragen.

Auch in der Nordhälfte Eiderstedts hatte mittlerweile die Besiedlung begonnen, nachdem dort die ausgedehnten siedlungsfeindlichen  Moorgebiete infolge des allmählichen Meeresspiegelanstiegs ab 1000 n. Chr. mit Meeressedimenten überdeckt worden waren. Das Meer hatte so eine fruchtbare, siedlungsfreundliche Seemarsch geschaffen. Auch die kleinen Marschinseln der Nordhälfte, Westerhever und Osterhever 5), waren bereits im 12. Jahrhundert von einem niedrigen Sommerdeich umgeben, während die Ansiedlungen auf höheren Warften standen. Im übrigen Gebiet der Nordhälfte entstanden hohe Warften schwerpunktmäßig in den Gegenden um und zwischen den Orten Osterhever, Poppenbüll und Tetenbüll einerseits und Uelvesbüll, als solitäres Verdichtungsgebiet im Osten, andererseits. Zwischen diesen Siedlungsschwerpunkten scheinen aber große Gebiete damals wegen des Meeresspiegelanstiegs bereits nicht oder nicht mehr bewohnbar gewesen zu sein. So gab es zwischen Westerhever und Utholm (Tümlauer Bucht), Westerhever und Osterhever sowie Osterhever und Uelvesbüll tiefe Meereseinbrüche, die erst im Laufe der Jahrhunderte geschlossen werden konnten, indem sie von den Marschinselrändern aus nach und nach zugedeicht wurden. Der wohl erste so gewonnene Koog war der Poppenbüller St.-Johannis-Koog, der noch im 12. Jahrhundert entstand.

Ob die Nickelswarft, die auf halbem Wege zwischen dem St.-Johannis-Koog und der nordwestlich gelegenen Marschinsel Westerhever am ehemaligen Fallstief liegt, zu diesem Zeitpunkt bereits bestand, habe ich bislang nicht herausfinden können. Dafür spricht, dass sich hier, im ruhigeren Wasser auf der Luvseite Westerhevers, durch Überflutungen und Anwachs von selbst eine erhöhte Landoberfläche gebildet haben könnte. Andererseits hatte sich der Anstieg des Meeresspiegels nach dem 12. Jahrhundert deutlich beschleunigt 7), was in Verbindung mit den vorgenommenen Bedeichungsmaßnahmen, die dem Meer Flutraum nahmen, auch zu allgemein noch höheren Wasserständen in den Wattströmen und Prielen führte. So waren die durch Meereseinbrüche um 900 entstandenen Wattströme mindestens im Bereich Eiderstedts immer noch vorhanden und aktueller denn je. Als Beleg hierfür dient wiederum König Waldemars Erdbuch von 1231, das für das heutige Eiderstedt vier Harden (Amtsbezirke) auf vier Inseln bzw. nur durch unwesentliche Wasserläufe getrennte Inselgruppen auflistet 4): im Nordwesten Hefræ /  Hæfræ (Westerhever), im Südwesten Holm (Utholm), im Norden Giæthninghæreth (Everschop) und im Südosten Thunninghæreth (Eiderstedt). Die 'Landtcarte Von dem Alten Nortfrieslande Anno 1240' von Johannes Mejer (um 1650), die Eiderstedt durch breite Wattströme geteilt zeigt, ist in diesem Punkt also realistisch.

Bis in die Zeit nach der Sturmflut von 1362, der ersten, der aldergröthesten Mandrenke 8), scheint es in ganz Nordfriesland nur geringe Deichbautätigkeiten zur Gewinnung neuer Köge gegeben zu haben. Zu den wenigen dokumentierten Ausnahmen zählt der im 13./14. Jahrhundert 5) eingedeichte Mühlenkoog bei Vollerwiek am Südende der Süderhever. Interessant ist die Feststellung, dass der Beginn neuerlicher Deichbauaktivitäten in Nordfriesland um 1400 etwa mit dem vorläufigen Ende der Transgressionsphase zusammenfällt, die etwa um das Jahr 1000 begonnen hatte und die den Meeresspiegel um etwa 120 cm hatte steigen lassen. Nun begann er wieder zu sinken - bis zur Burchardiflut, der zweiten Groten Mandrenke von 1634, um einen halben Meter.

 

Für die Nickelswarft brachte der um 1400 zwecks Landgewinnung wiederaufgenommene Deichbau eine einschneidende Veränderung: Bei der 1437 vollzogenen Eindeichung des östlich zwischen ihr und dem Poppenbüller St.-Johannis-Koog gelegenen Heverkooges war sie eindeutig Ziel der Deichflucht und wurde in den Deich einbezogen. Sie erhielt dadurch erstmals eine feste Landverbindung. Bis dahin scheint sie nicht nur eine Warft, sondern eine Hallig gewesen zu sein 9), also als eine kleine, unbedeichte Marschinsel, die sogar groß genug war, um zwei auf Warften stehenden Höfen Platz zu bieten 10).

Das gefürchtete Fallstief wurde durch diese Deichbaumaßnahme durchdämmt. Es ist im Luftbild noch gut an den sich von Südosten nach Nordwesten an der Nickelswarft und Osterhever vorbei 'schlängelnden' Parzellen zu erkennen.   

Zwischen 1456 und 1463 folgte die Eindeichung des nordwestlich gelegenen Westerhever-Osterkooges und damit die Anbindung der Marschinsel Westerhever. Der südliche Deich dieses Kooges erstreckt sich von Westerhever bis zur Nickelswarft. Erst 400 Jahre später, 1862, wurde mit der Eindeichung des Süderheverkooges auch das Watt südwestlich der Warft landfest. Auch die alten Deiche, längst zu Binnendeichen geworden, lassen sich im Luftbild sehr schön als heutige Landstraßen erkennen.

 

Utholm, Everschop und Eiderstedt, die drei eiderstedtischen Inseln, die als Schiffsharden Verwaltungsbezirke mit jeweils eigener Gerichtsbarkeit in ihren Hauptorten Tating, Garding und Tönning waren, wuchsen in der Folge durch Eindeichungen zusammen. Um 1400 war mit der Eindeichung des Grudenkooges die Landverbindung zwischen Eiderstedt und Utholm geschaffen, etwa 60 Jahre später gelang mit der Eindeichung des Westerhever-Osterkooges auch der Anschluss Everschops. 1466 bestätigten die Vertreter der Dreilande das Eiderstedter Landrecht von 1426 in der Kirche zu Garding erneut. 1489 war auch der Anschluss an die Geest vollzogen, die Halbinsel Eiderstedt somit entstanden. 1613 siegelten die ursprünglichen Harden stolz als Dreilande, als die sich weitgehend selbst verwaltende Landschaft Eiderstedt.

 

Zu diesem Zeitpunkt war die Süderhever bereits fast vollständig zugedeicht. Die letzten Eindeichungen erfolgten hier im Norden 1937 und im Süden 1821. Die Eindeichung des südlichen Kooges, des Wilhelminenkooges 11), fiel in die Amtszeit des Deichgrafen, Rat- und Lehnsmannes Jacob Bischoff aus Vollerwiek, mit dem wir laut mündlicher Überlieferung verwandt sein sollen.

 

Jensen 2) zählt die Nickelswarft (nur wenige Häuser) zum Kirchspiel Poppenbüll in der Propstei Eiderstedt. Angaben zu zuständigen schulischen Einrichtungen macht er nicht. Die nächstgelegenen Schulen waren die Hauptschule des Schuldistrikts mit 150 Kindern und eine weitere Schule in Neukrug am Westerdeich mit 25 Kindern.

 

Lesser 3) gibt die Größe der administrativ der Landschaft Eiderstedt zugehörigen Nickelswarft mit 1 Haubarg (bei ihm Hauberg) und einigen Häusern an.

 

Die Nickelswarft dürfte am 01.12.1910 zu Poppenbüll (355 Einwohner) gerechnet worden sein.

 

Verwechslungsmöglichkeiten, Orte gleichen oder ähnlichen Namens

Internetrecherche: Verwechslungsmöglichkeiten ergeben sich nicht.

 

Ortsverzeichnisse, Schleswig-Holstein: Lesser 3) listet unter dem Namen Nickelswerf zwei Orte auf: die Nickelswarft mit einem Haubarg und einigen Häusern sowie den Hof Nickelswerf im Heverkoog. Die Tatsache, dass die Nickelswarft seit 1437 ein Teil des Deiches des Heverkooges ist, lässt die Frage zu, ob es sich bei Lesser wirklich um zwei verschiedene Orte handelt, oder ob er nicht selbst einer Verwechslung aufgesessen sein könnte.

Bei von Schröder 12) findet sich als mit Nick- beginnender Ortsname lediglich ein südwestlich von Rendsburg gelegenes Nickelshörn. Laur 1) führt den Ort nicht auf.

 

 

Quellen und Literatur

1) Wolfgang Laur, Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein. Gottorfer Schriften VIII der Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung Schleswig, Schleswig 1967

2) Hans Nicolai Andreas Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Band 2, Flensburg 1841

3) Wilhelm Lesser, Topographie des Herzogthums Schleswig, Band 2, Kiel 1853

4) Jürgen Newig, Geographisches Institut der Universität Kiel: Die Küstengestalt Nordfrieslands im Mittelalter nach historischen Quellen, 2004

5) Harry Kunz / Albert Panten: Die Köge Nordfrieslands, Nordfriisk Instituut, Bredstedt 1997

6) Hans-Herbert Henningsen: Rungholt - Der Weg in die Katastrophe. Aufstieg, Blütezeit und Untergang eines bedeutenden mittelalterlichen Ortes in Nordfriesland, Band 1, Husum 2002 

7) Karl-Ernst Behre, Probleme der Küstenforschung im südlichen Nordseegebiet, Bd.28, Isensee-Verlag, Oldenburg, 2003

8) Johannes Jasper: Chronicon Eiderostadense vulgare - oder die gemeine Eiderstedtische Chronik 1105 - 1547, St. Peter-Ording 1977

9) Karl Heinz Pahl: Westerhever, in: Blick über Eiderstedt - Beiträge zur Geschichte, Kultur und Natur einer Landschaft, Band 2, Heide 1969

10) Hans Peters: Poppenbüll, in: wie 9)

11) Claus Heitmann: Der Wilhelminenkoog 1821 - 1996, Eiderstedter Hefte 3, Heimatbund Landschaft Eiderstedt 1997

12) Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Oldenburg (in Holstein), Band 2, 1841