Tielen


dänisch: Tiele

 

Die dörfliche Gemeinde DE-24803 Tielen bei Erfde liegt im Amt Kropp-Stapelholm, Kreis Schleswig-Flensburg.

 

Lage: 54°17'11.00"N, 9°20'14.00"E (Ortsmitte), Karte:

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Familienforschung

Kirchenbücher (i.d.R. nur vor 1876): Tielen gehört innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zum Kirchenkreis Schleswig-Flensburg (vor der Kirchenkreisfusion Kirchenkreis Schleswig), Kirchengemeinde Erfde. Das zuständige Kirchenbuchamt ist das Bereichsarchiv Schleswig - Kirchenbuchamt - in Kappeln/Schlei.
Näheres hierzu und zu standesamtlichen Urkunden (ab 01.01.1876) siehe Erläuterungen, Quellen, Verweise.

Ob es eine Ortschronik gibt, ist mir nicht bekannt.

 

Aus der Ortsgeschichte

Nennungen: Laur 1): 1423 de Tyle, 1447 Tilen; Jensen 2): Tielen; Lesser 3): "Tielen (vormals Tylena, de Thiele)".

 

Laur 1) bezieht den Ortsnamen auf die Dithmarscher Tielenau sowie die Tielenburg. Zur Tielenau gibt er an: 1561 die Tilike, 1598 dat Water Tile; ihren Namen definiert er vorsichtig als "vielleicht zu altsächsisch til = passend oder altenglisch til = nützlich, gut". Zur Tielenburg ist bei ihm zu lesen: 1323 inter castra Tylenborgh, 1341 Tilenborg, Burg an der Tilenau.

 

Die Ursprünge Tielens sind über den Ortsnamen bisher noch nicht entschlüsselt worden. Nach den bisherigen Erkenntnissen liegen sie aber spätestens im 14. Jahrhundert. Damals gab es unweit südöstlich des heutigen Ortes die Eiderinsel Tielenhemme, die der Erzbischof von Bremen 1258 dem holsteinischen Grafen schenkte, der an deren Nordspitze, im Winkel zwischen der Eider und dem in sie mündenden Flüsschen Tielenau, die 1323 erstmals urkundlich erwähnte Tielenburg errichtete. 1490 kam die Burg in den Besitz des Herzogs und späteren dänischen Königs Friedrich I. und war Zollstelle des herzoglichen Landvogtes. Tielen lag der Burg als Burgflecken am nördlichen Eiderufer gegenüber, das südliche Ufer gehörte zum verfeindeten Dithmarschen. 1500, nach der für sie siegreichen Schlacht bei Hemmingstedt, gelang es den Dithmarschern, die Tielenburg einzunehmen und in der Folge zu schleifen. Tielen als Burgflecken verlor dadurch seine Bedeutung. Den südlichen Eiderarm dämmten die Dithmarscher schließlich ab und machten die Eiderinsel so zu Dithmarschen landfest. 1533 zog Tielen von der Flussaue auf höher liegendes Gelände der Erfder Geestinsel um, wo bis dahin ein Dorf namens Hude gewesen sein soll (vgl. DE-25876 Hude, dessen Ortsnamen Laur 1) auf mittelniederdeutsch hude = Stapelplatz, Anlegestelle, Fährstelle zurück führt, der also etwa 'Siedlung bei der Fährstelle' bedeutet).

Der Umzug steht wohl mit der Allerheiligenflut vom 31. Oktober/1. November 1532 in Zusammenhang (siehe Klixbüll, Uelvesbüll und den Beitrag zum Binnenhochwasser unter Meggerkoog). 1593 wurde die herzogliche Eiderzollstelle von Tielen nach Süderstapel verlegt. Gegen 1900 wurden die letzten Wallreste der alten Burg abgetragen, aber noch heute liegt auf dem erhöhten Burgplatz ein Tielenburg genanntes Gehöft. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war Tielen Fährstelle ('Königsfähre') und ein bedeutender Eiderhafen (bis 1914), was in dem heutigen Wappen des Ortes zum Ausdruck kommt. Das Engagement von Tielener Bürgern im europäischen Seehandel, das sie am Ende des 17. Jahrhunderts begonnen hatten, kam 1920 zum Erliegen, als der Bau des Nord-Ostsee-Kanals und die begrenzte Fahrwassertiefe der Eider die Tielener zwang, sich nach anderen Erwerbsmöglichkeiten umzusehen. 4)

 

Jensen 2) zählt Tielen zum Kirchspiel Erfde in der Propstei Hütten und nennt als Größe des Ortes "33 Staven, überhaupt 63 Häuser" mit (1835) 432 Menschen. Zudem führt er die Distriktschule mit 100 Kindern in zwei Klassen auf.

 

Lesser 3) gibt als Größe des in der Landschaft Stapelholm liegenden Dorfes 33 Staven, 2 Doppelkaten, 8 Vollkaten, 2 Halbkaten und 21 Freistellen an, erwähnt die Distriktschule und außerdem die Fußgängerfähre über die Eider.

 

Am 01.12.1910 hatte Tielen 428 Einwohner.

 

Verwechslungsmöglichkeiten, Orte gleichen oder ähnlichen Namens

Internetrecherche: Tielerfeld ist ein Ortsteil von DE-24803 Tielen. Tielenburg gehört zu DE-25794 Tielenhemme, eine dithmarschener Gemeinde, von Tielen aus gesehen jenseits der Eider an dem in sie mündenden Flüsschen Tielenau. In Deutschland ist der Ortsname Tielen im Übrigen unverwechselbar. Einen Ort gleichen Namens gibt es allerdings in Belgien:  Tielen, Ortsteil von B-2460 Kasterlee. Außerdem ist die alte niederländische Handelsstadt Tiel, Provinz Gelderland, zwischen den Flüssen Waal und Linge gelegen, zu nennen. Von hier ist es räumlich und lautlich nicht weit zum niederrheinischen Till (1257 Tille), Ortsteil von Bedburg-Hau, und auch nicht zu Diele, Ortsteil von DE-26826 Weener.

 

Ortsverzeichnisse, Schleswig-Holstein: Laur 1) nennt zu DE-25794 Tielenhemme noch ein Tielenbrücke, eine alte Schanze bzw. "Brücke über die Tielenau" und einen weiteren, inzwischen untergegangenen Ort namens Tielenburg in Ostholstein (Großraum Eutin). Bei Lesser 3) finden sich keine Verwechslungsmöglichkeiten. Von Schröder 8) führt eine (weitere?) Tilenburg in/bei D-25782 Tellingstedt, 8 km südwestlich von Tielen gelegen, auf, das er als "vormals Tilenstede ... ein Dorf, das seinen Namen von der Tiele hat", bezeichnet. Laur 1) dagegen gibt zu Tellingstedt an, dass der Ort bereits seit 1168 Ethelingstede u.ä. geheißen habe und bezieht ihn auf den Personennamen Tello.

 

Einige Feststellungen zum Ortsnamen

Nach Laur 1) stammt der Name Tielen von dem Fluss Tielenau (1561 "die Tilike", 1598 "dat Water Tile") ab. Zu diesem Namen gibt er als mögliche Deutung wiederum an, er leite sich vielleicht, bezogen auf einen nicht mehr erkennbaren Anlass, von altsächsisch til = passend, altenglisch til = nützlich, gut, ab. Eine sichere Namensdeutung habe ich bisher jedoch zu keinem der oben genannten Orte gefunden. Immerhin haben nahezu alle diese Orte auffällige Gemeinsamkeiten wie hohes Alter, den wahrscheinlichen Einfluss friesischer und fränkischer Händler ab etwa dem Jahr 600 (altfriesisch til = gut, altfriesisch tilia/altniederfränkisch tilon = bebauen, kultivieren 5), teelen, tilan Land fruchtbar machen, Land bauen 6)), den nachgewiesenen, zumeist zerstörerischen Einfluss von 'Wikingern' , eine wichtige, teils früh durch Burg oder Umwallung gesicherte Lage an Flüssen und Handelsstraßen, sowie teils ausgeprägte Handelsniederlassungen/-beziehungen, z.B. Dorestad/Tiel Tielen/Haithabu. In dieses Bild passt, von Burg oder Umwallung abgesehen, auch der Ort Tilli (Westertilli, Ostertilli), ein Mitteldeich auf der Insel Pellworm, wo sich Reste früher Siedlungsspuren an dem wohl ältesten Weg Pellworms befinden 7); gedeutet wird dieser Name u.a. als Ableitung von Te(i)ldamm = Knüppeldamm oder Tille = Brücke zu (alt-) ostfriesisch tillen = heben 6) oder, da auch die Schreibweise Tillig vorkomme (vgl. vorstehend zu Tielenau: 'die Tilike'), als Bildung zu mittelniederdeutsch telge = Zweig, hier im Sinne einer Verzweigung (Laur, ohne Quellenangabe).

Sonstige sprachliche Aspekte stehen zu Alter, Lage und Bedeutung nicht unbedingt im Widerspruch: In den Ortsnamen könnte das lateinische Wort tilia = Linde verborgen sein, das auf einen alten Gerichtsplatz hinweist (Thie-Linde, Gerichtslinde). Weiter gibt es im südjütischen Dialekt das Wort tylle, das trinken bedeutet (dänisch drikke); vielleicht besteht hier eine etymologische Beziehung zu (Vieh-) Tränke. Schließlich soll auch auf den möglichen Bezug zum Namen der Landschaft hingewiesen sein, an deren Grenze das schleswig-holsteinische Tielen liegt: Dithmarschen. Laur 1) zieht als Ursprung dieses Namens eine Bildung aus altsächsisch thiad = groß, viel (eigentlich 'Volk') und altsächsisch mersc = Sumpf in Erwägung. Thiad entspricht dem althochdeutschen Wort diot = Volk (daraus abgeleitet: 'deutsch'), das sich auch in Vornamen findet, die mit Diet- beginnen und deren Kurzformen u.a. Tile und Till sind (Tile Kolup alias Dietrich Holzschuh, Hochstapler, 1284 in Köln und Neuss bezeugt; Dyl Ulenspegel, wohl literarische Gestalt des Mittelalters, angeblich in der schleswig-holsteinischen Stadt Mölln gestorben). In dieser Hinsicht könnte der Ortsname auf den Besitzanspruch einer Person bzw. die Zugehörigkeit zu einem Land hinweisen; das niederrheinische, an einem Altarm des Rheins liegende Till (1257 Tille) z.B. gehörte zur Grafschaft Kleve, in der zwischen 1056 und 1305 sieben Herrscher Dietrich hießen. Allerdings ist auch die Herkunft dieses Ortsnamens meines Wissens nach ebenfalls noch ungeklärt. Vielleicht hängt er mit einer anderen Bedeutung des Wortes Till zusammen, die der Sprache der Schiffer entstammt und ein enges Fahrwasser zwischen Untiefen meint 9). Dieses Till könnte also von Tülle = Rinne, Röhre, mittelniederländisch dille 10), herrühren.

 

Wer hier weiter graben möchte, der darf diese meine Feststellungen gerne als Anregung auffassen.

 

 

Quellen und Literatur

1) Wolfgang Laur, Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein. Gottorfer Schriften VIII der Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung Schleswig, Schleswig 1967

2) Hans Nicolai Andreas Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Band 3, Flensburg 1841

3) Wilhelm Lesser, Topographie des Herzogthums Schleswig, Band 2, Kiel 1853

4) Literatur: Martin Becker, Gert Kaster, Kulturlandschaft Eider - Treene - Sorge, Neumünster 2005; Olaf Klose - Handbuch der historischen Stätten Deutschlands Band 1, Schleswig-Holstein und Hamburg, Stuttgart 1964

5) Gerhard Köbler, Altfriesisches Wörterbuch, 2. Auflage, 2003

6) Tilemann Dothias Wiarda, Altfriesisches Wörterbuch, Aurich 1786

7) Hans-Jürgen Borchard, Pellworm - Pilworm - Peelwerrem, Eine Spurensuche in der Literatur über Ortsnamen auf Pellworm und um Pellworm herum, Pellworm 2002.

8) Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Oldenburg (in Holstein), Band 2, 1841

9) Johann Georg Krünitz, Oekonomischen Encyklopädie, 1773 bis 1858, 242 Bände

10) Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Internetseite der Universität Trier