Westerhever


dänisch: Vesterhever

 

Die dörfliche Gemeinde DE-25881 Westerhever liegt im Amt Eiderstedt, Kreis Nordfriesland.

 

Lage: 54°22'55.80"N, 8°40'33.00"E (St. Stephanus), Karte:

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Familienforschung

Kirchenbücher (i.d.R. nur vor 1876): Westerhever ist eine eigenständige Kirchengemeinde und gehört innerhalb der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche zum Kirchenkreis Nordfriesland (vor der Kirchenkreisfusion Kirchenkreis Eiderstedt). Das zuständige Kirchenbuchamt ist das Bereichsarchiv Eiderstedt - Kirchenbuchamt - in Garding.
Näheres hierzu und zu standesamtlichen Urkunden (ab 01.01.1876) siehe Erläuterungen, Quellen, Verweise.

Ortschronik: Es soll ein dorfgeschichtliches Werk mit Chronikteil aus dem Jahr 2004 geben.

 

Aus der Ortsgeschichte

Nennungen: Laur 1): 1196 de Henere (lies: Heuere), 1231 Hæfræ, 1378 in ... Heuer, 1450 parochia Westerhever; Jensen 2): Westerhever, auch (älter) Westerheuer; Lesser 3): Westerhever.

 

Laur 1) deutet den Ortsnamen als eine Bildung aus wester- = westlich und dem Wattstrom -hever, also etwa "Siedlung westlich des Wattstroms Hever". Das Wort Hever stellt er zu altfriesisch hef, deutsch Haff = Meer (vgl. Wegemann 4): Hever, heef = Meer, Hewe'er Waeser = Salzwasser).

 

Westerhever war etwa seit der Zeit um 900 eine von Wattströmen und Prielen umgebene Marschinsel (siehe Poppenbüll-Nickelswarft) namens Hæfræ im Nordwesten der Propstei Eiderstedt und bildete im Mittelalter zusammen mit der südlich gelegenen Insel Utholm die gleichnamige Schiffsharde (Inselharde) Utholm, einen Verwaltungsbezirk mit eigener Gerichtsbarkeit. Die Besiedlung, die Wohnplätze wurden auf hohen → Warften angelegt, dürfte im 12. Jahrhundert begonnen haben. Wohl gegen Ende dieses Jahrhunderts stand auf der Insel eine erste Kirche. Zudem war die Insel bereits von einem niedrigen Sommerdeich umgeben. 5)

Im Ort steht heute auf der von einem Graben umgebenen Kirchwarft die Sankt-Stephanus-Kirche.

 

Sankt Stephanus zu Westerhever, Fotos vom 22.05.2011
1804 errichteter Backstein-Saalbau. Der zugehörige goti- sche Westturm steht wohl schon seit 1370 und ist damit der älteste Kirchturm Eiderstedts. Seine markanten Stützpfeiler wurden nachträglich angesetzt. 1733 brannte der Turm nach Blitzschlag aus. Der Altar ist von 1804, die romanische Taufe aus Sandstein stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist damit der älteste Taufstein Eiderstedts. Taufengel um 1800, Kanzel vom Anfang des 17. Jahrhunderts, Gestühl von 1805, in Teilen aus dem 17. Jahrhundert. 6)

 

Die erste, die aldergrötheste Mandrenke von 1362, bei der nach der Eiderstedtischen Chronik 8) die meisten Menschen in den Uthlanden starben, zerstörte viele Häuser, die Kirche und wohl auch den Deich, der erst nach 1370 neu errichtet wurde. Die Chronik erzählt auch die Geschichte der Wogemänner, die 1362 "wegen großer Untaten" durch Ingwer, dem mächtigen Staller der Uthlande, einem hohen königlichen Verwaltungsbeamten, von der Insel Strand vertrieben wurden und die sich nun in Westerhever niederließen, eine Burg bauten, von dort die Harden Utholm, Everschop und (Nord-) Strand ausraubten und Jungfrauen verschleppten. Ob es sich wirklich um durch die Flut heimatlos gewordene Fischer und Bauern gehandelt hat, wie gerne geschrieben wird, lasse ich einmal dahingestellt. Der Chronik ist das so nicht zu entnehmen. Beschrieben wird jedoch das beherzte Eingreifen einer der Jungfrauen, als 1370 Ove Heringe, der erste bekannte Staller über Utholm und Everschop, mit den Männern dieser Lande vor der Wogemannsburg erschienen war, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Danach war es der Frau gelungen, die Brücke über den Graben der Burg hinabzulassen und so lange zu verteidigen, bis die Männer des Stallers die Burg stürmen und einnehmen konnten. Noch vor Ort wurde durch den Staller und die Ratsleute der beiden Lande Gericht gehalten. An die 60 Wogemänner wurden in einem Priel geköpft, ihre aus (Nord-) Strand stammenden Frauen versenkte man in einem Tief, nur einigen Mädchen schenkte man das Leben. Die verschleppten und geschändeten Jungfrauen wurden von den Ratsleuten für "gesetzmäßig erklärt, als ob nichts geschehen wäre, und die Kinder, die sie geboren hatten, erklärten sie für echte."

Interessant ist der in diesem Zusammenhang letzte Satz der Chronik, der etwas über die Prioritäten aussagen dürfte: "Als die Westerhever wieder bedeicht wurde und auch eine Kirche wieder gebaut wurde, da erbauten sie das Pastorat an der Stelle, an der die Wogemannsburg gestanden hatte." Der heutige Bau, bis 1930 Pastorat, ist jünger, aber dennoch ein altes friesisches Langhaus mit 1654 angebauter Scheune.

 

Um 1400 war mit der Eindeichung des Grudenkooges die Landverbindung zur Harde Eiderstedt geschaffen, etwa 60 Jahre später gelang mit der Eindeichung des Westerhever-Osterkooges auch der Anschluss an die Harde Everschop. 1489 war auch der Anschluss dieser drei Harden an die Geest vollzogen und damit die Halbinsel Eiderstedt entstanden. 1613 siegelten die ursprünglichen Harden stolz als Dreilande, als die sich weitgehend selbst verwaltende Landschaft Eiderstedt.

 

Jensen 2) gibt die Größe des zur Propstei Eiderstedt zählenden Kirchspiels Westerhever mit 18 verstreut liegenden Höfen und 85 Häusern an, beziffert seine Einwohnerzahl 1835 auf 599 und 1840 auf 672 Menschen und erwähnt zwei Schulen mit jeweils 50 Kindern: die Hauptschule und eine zweite Schule an der Schanze.

 

Lesser 3) nennt zu dem administrativ der Landschaft Eiderstedt zugehörigen Kirchdorf und Kirchspiel Westerhever ebenfalls 1 Haupt- und 1 Distriktschule und weiter 1 Windmühle und 2 Wirtshäuser. Die Größe des Kirchspiels beziffert er ebenfalls auf 18 Höfe und 85 Häuser, aber "außer der Prediger- und der Haupt- und District-Schulwohnung", und gibt die Bevölkerungszahl mit 697 Personen in 128 Familien sowie die Fläche des Kirchspiels mit insgesamt 1891 Demat an.

Weiter nennt er als zum Kirchspiel Westerhever gehörig: den zwischen 1456 und 1463 7) eingedeichten Westerhever Osterkoog (teilweise) sowie die Siedlungsstellen Ahndel, Berghuus, Böcken (bei ihm Boiken), Edamshar, Knütten, Kratzenberg, Leikenhusen, Odenhusen, Rosenhof, Schanze, Siek, Sieversbüll, Stufhusen und Tofhof.

 

Am 01.12.1910 hatte Westerhever 379 Einwohner.

 

Verwechslungsmöglichkeiten, Orte gleichen oder ähnlichen Namens

Internetrecherche: Westerhever ist einmalig und praktisch unverwechselbar. Mit der Richtungsangabe 'West(er)' beginnende Ortsnamen finden sich reichlich, sie haben aber alle keinen Bezug zu Westerhever. Zum Grundwort 'hever' ist vielleicht, etwa beim Lesen alter handschriftlicher, womöglich aus lokaler Sicht treffend, aus überregionaler Sicht jedoch nachlässig formulierter Urkunden, eine Verwechslung mit dem Kirchdorf und Kirchspiel Osterhever möglich, das nur sechs Kilometer östlich von Westerhever liegt. Osterhever wurde aber laut Laur 1) bereits mit der Richtungsangabe 'Oster-' versehen, als Westerhever noch Hever genannt wurde, sodass diese Gefahr gering ist.

 

Zum Grundwort hever gibt es weiter folgende Orte oder Plätze, die zumindest für Historiker interessant sein können:

 

Hever, Belgien, flämischer Landesteil, nordöstlich von Brüssel an der Dijle

Hever, Großbritannien, südsüdöstlich von London. Das hier gelegene Hever Castle war Landsitz der Familie Boleyn und möglicher Geburtsort Anne Boleyns, der zweiten Ehefrau König Heinrichs VIII. von England.

Hever, Israel, südlich von Nazareth

Hever Post, Republik Südafrika, Freistaat, südlich der Provinzhauptstadt Bloemfontein

Heveringen, Niederlande, südwestlich von Den Haag

Heverlee, Belgien, südlicher Ortsteil von Löwen (Leuven)

Heverly, New York, USA, südwestlich von Trumansburg

Heverly, Pennsylvania, USA, östlich von Coalport

Heversham, Großbritannien, Westküste, bei Milnthorpe

 

Ortsverzeichnisse, Schleswig-Holstein: Laur 1) nennt nur einen untergegangenen Ort namens Heverdamm auf der alten Insel Strand, heute wohl im Watt bei der Insel Pellworm. Bei Jensen 3) und Lesser 3) findet sich ein in einem mittelalterlichen Verzeichnis aufgeführtes Süderhever als eine vormalige Kirche oder Kapelle südlich der heutigen Westerheverer Kirche. Bei von Schröder 9) finden sich keine Verwechslungsmöglichkeiten.

 

 

Quellen und Literatur

1) Wolfgang Laur, Historisches Ortsnamenlexikon von Schleswig-Holstein. Gottorfer Schriften VIII der Arbeitsgemeinschaft für Landes- und Volkstumsforschung Schleswig, Schleswig 1967

2) Hans Nicolai Andreas Jensen, Versuch einer kirchlichen Statistik des Herzogthums Schleswig, Band 2, Flensburg 1841

3) Wilhelm Lesser, Topographie des Herzogthums Schleswig, Band 2, Kiel 1853

4) Georg Wegemann, Die Flurnamen des Kreises Eiderstedt, Detmold 1959

5) Karl Heinz Pahl: Westerhever, in: Blick über Eiderstedt - Beiträge zur Geschichte, Kultur und Natur einer Landschaft, Band 2, Heide 1969

6) Kunst-Topographie Schleswig-Holstein, 1982

7) Harry Kunz / Albert Panten: Die Köge Nordfrieslands, Nordfriisk Instituut, Bredstedt 1997

8) Johannes Jasper: Chronicon Eiderostadense vulgare - oder die gemeine Eiderstedtische Chronik 1105 - 1547, St. Peter-Ording 1977

9) Johannes von Schröder, Topographie des Herzogthums Holstein, des Fürstenthums Lübek und der freien und Hanse-Städte Hamburg und Lübek, Oldenburg (in Holstein), Band 2, 1841